Im Zeichen Österreichs
Ein Geburtstag stand am Anfang – und wie immer gab es am Freitagabend auch vor der offiziellen 15. Reunion der FULCRUM-Staffel schon eine informelle Runde: Als die ehemaligen deutschen MiG-29-Piloten samt Anhang im „Sternbräu“ in der Salzburger Altstadt eingetroffen und sich nach dem im Innenhof des Restaurants unter freiem Himmel getrunkenen ersten (oder zweiten) Biers im angemieteten Raum versammelt hatten, sorgte Organisator und Staffel-Einsatzoffizier Oberstleutnant a.D. Peter „Stoini“ Steiniger zunächst dafür, dass vor jedem ein kleines Extra-Gläschen zum Anstoßen stand. Und ließ dann Ehrenmitglied Hauptmann a.D. Johannes Falke hochleben. Der hatte es sich nicht nehmen lassen, trotz seines Wiegenfestes den Weg nach Österreich anzutreten – und war ob der Ehrung sehr überrascht, denn verraten hatte er es selbst niemandem. Bei deftigen und süßen österreichischen Spezialitäten wurden die ersten Neuigkeiten aus dem vergangenen Jahr ausgetauscht. Und wieder wurde deutlich, dass diese kleine, aber feine Traditionsgemeinschaft inzwischen zu einer echten Familie zusammengewachsen ist.
Ein besonderer Leckerbissen war für den Sonnabend organisiert worden: In zwei Gruppen – eine am Vormittag und eine am Nachmittag – wurde der berühmte Hangar 7 von Red Bull besichtigt. Philipp Haidbauer, ein ehemaliger Saab-105-Pilot der österreichischen Luftstreitkräfte und nun für die fliegende Flotte des Energy-Drink-Unternehmens im Cockpit, führte die interessierten Besucher – und das zunächst einmal in den sonst nicht öfffentlich zugänglichen Flugbetriebs-Hangar am Rollfeld des Salzburger Airports. Hier gab es neben diversen zur Wartung anstehenden Flugzeuge auch den Star der Flying Bulls, eine 1958 gebaute DC-6B, zu bestaunen, die ihren Lebenslauf als Jugoslawiens „Air Force One“ für Marschall Tito begonnen hatte. Die luxuriöse Innenausstattung begeisterte die Besucher ebenso wie der altmodische „Uhrenladen“ im Cockpit des viermotorigen Airliners.
Für die Flying Bulls sei es wichtig, das technische Wissen zur Instandsetzung der alten Maschinen zu erhalten, erläuterte Haidbauer. „Solche Leute sind immer schwieriger zu finden.“ Daher bildeten die Flying Bulls auch selbst neue Flugzeugmechaniker aus. „Drei neue Lehrlinge haben wir dieses Jahr bekommen – und die werden auch auf den alten Systemen geschult.“ Doch die Flying Bulls seien nicht nur Ausbildungs-, sondern auch zertifizierter Entwicklungsbetrieb: „Die sechs Alpha Jets, die wir von der Luftwaffe übernommen und demilitarisiert haben, flogen zunächst noch mit deutschen Zivil-Kennungen. Um sie in Österreich zuzulassen, mussten wir sie erst einem anderthalbjährigen Erprobungs-Programm unterziehen, um ein Typ-Zertifikat zu erstellen“, so der 36-Jährige weiter. Inzwischen sei der Bestand an fliegenden Alpha Jets in Red-Bull-Farben auf drei reduziert worden. „Wir haben auch nur noch zwei Airshow-Piloten, die den A-Jet fliegen“, erläuterte Haidbauer. Einer davon sei er selber. Doch auch für die DC-6, die T-28 Trojan und andere Muster habe er die Berechtigung. „Es gibt schon Tage, wo ich fünf verschiedene Flugzeugtypen fliege“, eröffnete er den erstaunten Besuchern. Insgesamt verfügten die Flying Bulls über 60 Mitarbeiter für den fliegenden Bereich, einschließlich fünf festangestellter Piloten plus zwei Hubschrauberführer. „Dazu kommen noch ein paar Freelancer“, sagte Haidbauer.
Nach der Rückkehr in den öffentlich zugänglichen Bereich hatten die Mitglieder der FULCRUM-Staffel dann noch genügend Zeit, die weiteren Kostbarkeiten der Red-Bull-Sammlung ins Auge zu fassen – neben alten Warbirds wie der F4U-4 Corsair, P-38L Lightning oder B-25J Mitchell auch diverse Formel-1-Boliden und die Stratosphären-Kapsel von Felix Baumgartner, der 2012 als erster Fallschirmspringer Überschallgeschwindigkeit erreicht hatte.
Zum offiziellen Teil der Reunion versammelten sich die knapp 60 Gäste aus Deutschland – auch der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, war am Nachmittag zur Truppe gestoßen – in der Schwarzenbergkaserne im Stadtteil Wals-Siezenheim, dem Hauptquartier der österreichischen Luftstreitkräfte. Deren neuer Kommandant Generalmajor Karl Gruber erläuterte, dass der Komplex bis 1953 als US-Hauptquartier gedient hatte und 1956 von den Österreichern übernommen worden sei. Generalmajor Gruber umriss die Geschichte seiner Truppe von der ersten Gründung 1935 über die Wiederaufstellung 1957 bis zur Wiedererlangung der Eigenständigkeit am 1. Januar 2017 – vorher waren die Luftstreitkräfte Teil eines gemeinsamen Streitkräftekommandos des Bundesheeres gewesen. Die Zuhörer erfuhren, dass der Führung in Salzburg das Kommando Luftraumüberwachung, das Kommando Luftunterstützung und die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule mit einer Gesamtstärke von 3700 Soldaten und Mitarbeitern sowie rund 120 Luftfahrzeugen unterstehen, wo die einzelnen Truppenteile stationiert sind und wie diese zusammenwirken. Auch Probleme sprach Generalmajor Gruber an: „Die Struktur ist in Ordnung, aber wir haben Sorgen, genügend Piloten und Betriebspersonal zu bekommen.“ Die Luftstreitkräfte seien in einer „interessanten und spannenden Phase“, auch im Hinblick auf internationale Kooperation: Nur wenige Tage vorher hätten Österreich und die Schweiz einen Vertrag über die Schaffung einer integrierten Luftverteidigung unterzeichnet – „und dazu wollen wir auch Verhandlungen mit Deutschland beginnen.“
Generalleutnant a.D. Jürgen Höche, Staffelkapitän der FULCRUM-Staffel, bedankte sich bei Gastgebern, Organisatoren und Sponsor für die Möglichkeit, die 15. Reunion in Österreich abhalten zu können, und wies darauf hin, dass Salzburg in Deutschland hauptsächlich als Geburtsort von Wolfgang Amadeus Mozart und für seine Festspiele bekannt sei. Doch bekannte deutsche Namen hätten ebenfalls Eingang in die Stadt gefunden: „So gibt es hier eine Müllner Hauptstraße und eine Brücke namens Müllner Steg“, verkündete er zum Amusement der Anwesenden mit Blick auf den Inspekteur. Um gleich danach darauf hinzuweisen, dass diese Benennung vielleicht auch auf den Salzburger Stadtteil Mülln zurückgeführt werden könnte. Einsatzoffizier Peter Steiniger verkündete im Anschluss den schon traditionell gesunden finanziellen Zustand der Staffel und zählte dann diejenigen auf, die eigentlich ihre Teilnahme zugesagt hatten, dann doch aber kurzfristig absagen mussten, weil sie mehr oder minder schwere Unfälle – glücklicherweise keine lebensbedrohlichen – gehabt hatten oder krank geworden waren. So schafften es am Ende mit 32 weniger als die Hälfte der insgesamt 73 Mitglieder der FULCRUM-Staffel nach Salzburg. „Wir werden eben alle nicht jünger – passt auf Euch auf!“, schloss Stoini seine Ansprache, bevor er dem österreichischen Oberst Peter Petutschnig, der als Verbindungsoffizier beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage maßgeblich an der Organisation des Treffens beteiligt war, dankte und ihm ein Modell einer deutschen MiG-29 überreichte. Im Anschluss bat Staffelkapitän Höche noch um eine Schweigeminute für den kurz zuvor verstorbenenen früheren Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant a.D. Peter Vogler, bevor das reichhaltige Buffett eröffnet wurde. Um die Ordonnanzen im Kasino der Kaserne nicht überzustrapazieren, war das Ende der Veranstaltung auf 2 Uhr festgelegt worden, und pünktlich verließen die übrig gebliebenen Gäste die Bar, in die sie Stunden vorher vom Festsaal umgezogen waren, mit Shuttle-Bussen in Richtung Hauptwache, von wo aus die Taxen die Hotels anfuhren.
Ein Wiedersehen der meisten gab es am folgenden Tag bei den geführten Stadtrundgängen durch Salzburg: einem allgemeinen, der die Sehenswürdigkeiten der Altstadt beinhaltete, und einem besonderen auf den Spuren der militärischen Geschichte der Stadt. Und manch einer hängte noch den darauf folgenden Feiertag an den Aufenthalt an, um diesen schönen Flecken der Alpenrepublik noch ein wenig auf eigene Faust zu erkunden. Wie stets war auch die 15. Auflage eine rundum gelungene Reunion – wo führt der Weg die Mitglieder der FULCRUM-Staffel wohl zum Treffen im Jahr 2018 hin?
Stefan Petersen