MiG-29-Flieger auf dem Darß
„Der Begriff MiG-29 steht nicht nur für ein Flugzeug, sondern für die gesamte Integration der NVA in die Bundeswehr“, so Generalleutnant a. D. Jürgen Höche in seiner Begrüßungsansprache zur 4. Reunion der FULCRUM-Staffel. Und traditionell unterstrich das Teilnehmerfeld seine Worte: Von den knapp 40 anwesenden Ex-MiG-29-Piloten hatten nicht wenige die FLUCRUM schon vor der Wende geflogen. Mit Ehefrauen und Partnerinnen hatten sich rund 70 Gäste am 28. Oktober ab 18.29 Uhr im Strandhotel „Fischland“ auf dem Darß bei Rostock eingefunden, um Erinnerungen an die Dienstzeit mit einem in der Luftwaffe einmaligen Flugzeug aufzufrischen, neue Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu halten und nicht zuletzt tüchtig zu feiern.
Das werde auch weiterhin jährlich geschehen, erklärte Höche, denn „wenn man bei einem zweijährigen Turnus ein Treffen nicht wahrnehmen kann, dann sieht man die anderen erst nach vier Jahren wieder“. Zugleich gab der FULCRUM-Staffelkapitän die Anregung weiter, eine der nächsten Reunions in Las Vegas zu veranstalten – auf der benachbarten Nellis Air Force Base hatten die deutschen MiG-29 von 1999 bis 2003 bei den multinationalen „Red Flag“-Hochwertübungen für Furore gesorgt. Wenn sich genug Teilnehmer melden und jeder seine Partnerin mitnehmen würde, wäre ein finanziell tragbarer Charterflug möglich, führte Höche unter dem zustimmenden Raunen der Gäste aus, die diese Idee offenbar ausgezeichnet fanden. Weiterhin konnte Höche der versammelten FULCRUM-Gemeinde die erfreuliche Mitteilung machen, dass nach Abgabe der nicht flugfähigen letzten deutschen MiG-29 vom Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ (JG 73 „S“) an das Luftwaffen-Museum in Berlin-Gatow bald wieder eine FULCRUM in Laage stehen würde: „Der Befehlshaber verhandelt gerade mit den Ungarn über eine weitere Museums-Maschine, so dass ein Exemplar auf jeden Fall wieder in das Heimatgeschwader zurückkehren kann.“
Nach Übergabe einer FULCRUM-Traditionsuhr an Ehrenmitglied Rudolf „Nats“ Müller und dem Rechenschaftsbericht von Rechnungsführer Oberstleutnant Jürgen Schumann war Ungarn erneut Thema: Oberstleutnant Ronald Triegel gab in einem launigen Vortrag Einblicke in seine Tätigkeit als Austauschoffizier bei der ungarischen Luftwaffe. Über eine kurze Beschreibung seiner Lebensumstände in Budapest und die allgemeinen Verhältnisse im Land der Magyaren kam er zum Schwerpunkt seines Vortrags, der Fliegerei in den ungarischen Streitkräften. „Ursprünglich war geplant, dass ich dort als Austauschoffizier für die MiG-29 eingesetzt werde“, erläuterte Triegel. „Aber als ich vor Ort war, machte man mir klar, dass für mich eigentlich gar keine Fliegerei vorgesehen war – ich sollte ganz andere Aufgaben wahrnehmen.“ Trotzdem gelang es ihm, 2004 auf die L-39 Albatros – einem Strahltrainer – umgeschult zu werden und 90 Stunden zu fliegen. Doch das war eigentlich gar nicht erlaubt gewesen: „Ich habe meine Flugstunden am Ende des Jahres brav nach Deutschland gemeldet und da ist die Sache dann geplatzt“, erzählte er lachend. „Es gab gar keine Vereinbarung über meinen fliegerischen Einsatz, der damit noch fast eine disziplinarische Würdigung gefunden hätte.“ Als Ergebnis war Triegel 2005 an den Boden und seinen Schreibtisch gebunden und trieb die Anpassung der ungarischen Luftstreitkräfte an die NATO-Erfordernisse voran. Ende 2005 wurde seine Fliegerei schließlich legalisiert, und im Laufe der vergangenen Monate konnte er seine ungarischen Lizenzen komplettieren – „bis hin zum Fluglehrer.“ Als Höhepunkt des Jahres bezeichnete er seinen Flug mit dem deutschen Militär-Attaché in Budapest, Oberst Jürgen Erbeck. Erbeck, selbst ehemaliger Phantom- und Tornado-Pilot der Luftwaffe, konnte im zweiten Cockpit hinter Triegel einen L-39-Mitflug erster Klasse genießen – „im Tiefflug in hundert Meter Höhe von Kécskemet zum Balaton und dann noch einige Luftkampfübungen.“ Die Zeit in Ungarn, die noch bis Ende 2007 dauere, sei „eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, auch wenn nicht alles perfekt gelaufen ist“, schloß Triegel seine Betrachtungen.
Beim anschließenden reichhaltigen Buffett vertieften sich dann zum zweiten Mal an diesem Abend nach dem Sektempfang im Hotel-Foyer die verschiedensten Gruppen in angeregte Gespräche, und mit der soliden Grundlage im Magen verlagerte sich das Geschehen zunehmend an die Bar. Wieder kam der Staffel die Umstellung auf Winterzeit zugute, die die Nacht um eine Stunde verlängerte, und wieder zeigten die Angehörigen der FULCRUM-Staffel Stehvermögen – auch diejenigen, die bereits zwei Tage zuvor in Rostock in der von Ex-MiG-29-Pilot Oberstleutnant a. D. Bernd Pfähler mitbetriebenen Kneipe „Schallmauer“ die Reunion eingeleitet und am Vorabend die Möglichkeiten der Hotel-Bar schon ausgiebig getestet hatten. Zwischendurch hatte noch ein vom Staffel-Einsatzoffizier Oberstleutnant Peter Steiniger organisierter Besuch im JG 73 „S“ auf dem Programm gestanden, wo sich die FULCRUM-Flieger mit dem Stand der Ausbildung auf dem EUROFIGHTER vertraut machen und sogar den Simulator „befliegen“ konnten. Am Sonntag schied man nach dem Frühstück mit dem festen Bewusstsein: „Wir freuen uns schon auf die 5. Reunion!“
Stefan Petersen